Sonderbericht über Menschenrechtsverletzungen im Iran, Woche 25 des Jahres 2025
In der Woche, in der die Islamische Republik Ziel militärischer Angriffe Israels wurde, hegten viele Außenstehende die Erwartung, das Regime werde zumindest zum Schein seine Repressionen im Inneren abschwächen. Tatsächlich jedoch nahmen Festnahmen, Hinrichtungen, der Druck auf Aktivistinnen und Aktivisten sowie umfassende Kommunikationsunterbrechungen nicht ab. Vielmehr wurden sie intensiviert. Anstatt sich auf die äußere Bedrohung zu konzentrieren, erklärte das Regime die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung zur obersten Priorität. Es richtete seinen gesamten Sicherheitsapparat erneut gegen das iranische Volk.
Während die Bürgerinnen und Bürger mit den Folgen der militärischen Eskalation, mit Schutzlosigkeit und dem vollständigen Abbruch digitaler Verbindungen konfrontiert waren, beschleunigte das Regime gezielt die Verhaftung, Folter und Hinrichtung von Demonstrierenden, von Journalistinnen und Journalisten, von Frauen sowie von Angehörigen marginalisierter Gruppen. Die Ereignisse dieser Woche waren kein Ausnahmefall, sondern Ausdruck einer bewusst verfolgten Strategie. Das Regime nutzte die Kriegsumstände, um seine Repression im Inneren auszuweiten. Dies reichte von sofortigen Hinrichtungen unter dem Vorwurf der Spionage bis hin zur vollständigen Isolation von Gefangenen und zur Missachtung elementarer Menschenrechte.
Dieser Bericht bietet ein präzises Bild der eskalierenden Menschenrechtsverletzungen in einer Woche tiefgreifender nationaler Krise. Er dokumentiert Gewalt in Gefängnissen, die umfassende Kontrolle von Informationen, die systematische Unterdrückung der Zivilgesellschaft, die Geiselnahme von Familienangehörigen sowie den gezielten Druck auf die Bevölkerung in den Grenzregionen. Es handelt sich nicht nur um eine Aufzeichnung von Vorfällen, sondern um eine eindringliche Warnung vor einer sich verfestigenden Struktur politischer Gewalt.
Teil eins: Der Galgen als Antwort der Islamischen Republik auf Raketenangriffe
Während die Menschen im Iran unter militärischem Beschuss litten und angesichts unterbrochener Kommunikationskanäle verzweifelt nach Sicherheit und Informationen suchten, setzte das Regime seine Serie von Hinrichtungen nicht aus. Es beschleunigte sie sogar. Eine neue Welle von Todesurteilen, vor allem unter dem Vorwurf der Spionage für Israel, wurde ohne jede Transparenz vollstreckt. Diese Exekutionen fanden inmitten einer vollständigen digitalen Isolation statt. Sie dienten nicht der Durchsetzung von Gerechtigkeit, sondern waren ein gezieltes Mittel zur Einschüchterung und zur Ausweitung innerer Kontrolle.
Unter den Hingerichteten befanden sich Esmail Fekri und Majid Mosayebi. Beide wurden ohne Vorlage glaubwürdiger Beweise und nach Verfahren mit schweren rechtsstaatlichen Mängeln hingerichtet. Mohammadamin Mahdavi Shayesteh, ein Gefangener mit körperlicher Behinderung, wurde hingerichtet, trotz der Tatsache, dass sein Urteil auf unter Folter erzwungenen Geständnissen beruhte. Seine Bilder kursierten zuvor in den Medien, doch seine Hinrichtung vollzog das Regime still und im Verborgenen. Auch Azad Shojaei und Edris Ali, zwei weitere Gefangene, befinden sich in ähnlicher Lage. Sie sind in vollständiger Isolation, ohne Kontakt zu ihren Familien, und ihre Hinrichtung ist unmittelbar möglich.
Neben diesen politisch motivierten Fällen wurden mindestens vierzehn weitere Gefangene in den Haftanstalten von Gonabad, Khorramabad, Schiras, Yasudsch, Zandschan, Schuschtar, Qom und Ahvaz hingerichtet. Die Vorwürfe lauteten auf Mord, Vergewaltigung und Drogendelikte. In nahezu allen Fällen war der rechtliche Ablauf intransparent. Der Zugang zu Rechtsbeistand war stark eingeschränkt oder überhaupt nicht gewährleistet. Familienangehörige wurden kaum informiert. Die hohe Geschwindigkeit, mit der die Urteile vollstreckt wurden, sowie das völlige Fehlen von Transparenz verdeutlichen, dass das Regime die militärische Krise bewusst nutzt. Es treibt die physische Ausschaltung von Menschen und die Durchsetzung absoluter richterlicher Macht mit aller Härte voran.
In einer Woche, in der der Schutz der Bevölkerung höchste Priorität hätte haben müssen, entschied sich das Regime, den Galgen an die Spitze seiner politischen Agenda zu setzen. Auch im Zustand des Krieges, auch im Schweigen des digitalen Raums, kommt die Repressionsmaschinerie der Islamischen Republik nicht zum Stillstand.
Teil zwei: Rechtswidrige Festnahmen und politische Geiselnahmen
Zeitgleich mit den militärischen Angriffen auf iranisches Territorium begann das Regime nicht etwa damit, die Repression zu verringern, sondern leitete eine neue Welle rechtswidriger Verhaftungen, Drohungen und gezielter Einschüchterung ein. Betroffen waren insbesondere zivilgesellschaftliche Aktivistinnen und Aktivisten, Familien von Getöteten sowie selbst Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke. Diese Festnahmen erfolgten häufig ohne richterlichen Beschluss, unter Einsatz von Gewalt, mit Beschlagnahmung persönlicher Gegenstände und dem Abtransport der Betroffenen an unbekannte Orte.
Unter den im digitalen Raum Verhafteten befinden sich Kiarash Taherkhani und Enayat Shahbazi, die allein wegen der Veröffentlichung einer kurzen Story oder eines satirischen Videos über den Krieg festgenommen und anschließend verschleppt wurden. Sajjad Mashhadi Hemmatabadi, ein politischer Aktivist aus Maschhad, wurde von Sicherheitskräften in Zivil entführt. In Bukan wurde Diako Yazdanpanah, der bereits früher gefoltert worden war, zu 32 Monaten Haft verurteilt, aufgrund einer Kombination aus politischen und disziplinarischen Vorwürfen.
Ein besonders deutliches Beispiel für Geiselnahme war die gewaltsame Festnahme von Hassan Ronaghi und der gleichzeitige Übergriff auf seinen alten Vater. Hossein Ronaghi bezeichnete dieses Vorgehen als Teil der Strategie des Regimes, Druck auf die Angehörigen regimekritischer Stimmen auszuüben. In der vergangenen Woche wurden zudem Majid Naderkhani und Ali Mohammadi festgenommen, zwei Väter, die sich für die Aufklärung der Todesumstände ihrer während der Proteste im Jahr 2022 getöteten Kinder einsetzen. Die Familie Mohammadi hat keinerlei Informationen über den Verbleib des Festgenommenen. Auch die Schwester von Javad Heydari sowie die Familie von Mohammadreza Eskandari wurden bedroht und in ihren Wohnungen überfallen.
In einem weiteren Fall nahm die Revolutionsgarde Familienangehörige einer Moderatorin des Auslandssenders Iran International fest. Ziel war offenbar, die Journalistin unter Druck zu setzen und zum Rücktritt zu zwingen. Bei einem dieser Übergriffe wurde sogar ein Tonmitschnitt eines Telefonats mit Sicherheitsbeamten veröffentlicht. In den Medien wurde dieses Vorgehen zu Recht als staatlicher Terrorismus bezeichnet.
Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zivilgesellschaftliche Persönlichkeiten blieben von der Repression nicht verschont. Hassan Baghernia, ehemaliger Universitätsdozent, wurde gemeinsam mit seiner Ehefrau verhaftet. Hossein Mirbahari, ein bekannter Kinderschutzaktivist und Gründer der Organisation zur Verteidigung arbeitender Kinder, wurde in Pardis bei Teheran ohne Gerichtsbeschluss festgenommen. Seine persönlichen Gegenstände wurden konfisziert.
Die Welle der Repression hat sich auf zahlreiche Regionen des Landes ausgeweitet. In Kuhdasht wurde der politische Aktivist Rostam Bagheri ohne Vorlage eines Haftbefehls verhaftet. In Mahabad, Bukan, Saqqez und Mariwan wurden mindestens fünfzehn Personen bei nächtlichen Razzien festgenommen, darunter Shaho Mahmoudi, Keyvan Mamegoli, Soroush Yousefzadeh, Mehran Khadiripour, Zahed Hejri und weitere Betroffene. In Qatur in der Provinz Khoy wurde Amin Sadoughi auf offener Straße unter Schlägen verhaftet. In Divandarreh verschwand Fouad Moradi, nachdem er zur Befragung durch das Informationsministerium vorgeladen worden war. In Sistan und Belutschistan wurden drei junge Sunniten namens Abdolhamid Hashemzehi, Farzad Sabouri und Naeem Koohi ohne offiziellen Beschluss festgenommen. In Izeh wurde Keysan Shahabi, ein ehemaliger politischer Gefangener, erneut und diesmal mit brutaler Gewalt verhaftet.
All diese Vorgänge belegen eindeutig, dass die Islamische Republik auch angesichts äußerer Bedrohungen nicht etwa ihre Bevölkerung schützt, sondern die Repression systematisch verschärft. Die Botschaft ist klar. Selbst in Kriegszeiten kann Ungehorsam, ja sogar bloßer Spott, dazu führen, dass man zur nächsten Zielscheibe staatlicher Gewalt wird.
Teil drei: Die Gefängnisse stehen im Feuer des Krieges, doch sie brennen nicht von außen, sondern von innen
In jener Woche, in der Raketen über den Himmel von Teheran und Kermanschah flogen, wurden die Gefängnisse selbst zu Schauplätzen direkter Gewaltanwendung durch das Regime gegen die Inhaftierten.
Im Gefängnis Dieselabad in Kermanschah bat eine Gruppe von Gefangenen aus den besonders gefährdeten Trakten um ihre Verlegung an einen sicheren Ort, nachdem ein Raketeneinschlag in der Nähe erfolgt war. Die Antwort der Sondereinheiten bestand nicht in Schutz, sondern im direkten Schusswaffeneinsatz. Bei diesem Übergriff wurden mindestens zehn Gefangene getötet und mehr als dreißig weitere verletzt. Dieser Vorfall kann nicht als Sicherheitsmaßnahme gerechtfertigt werden. Es handelt sich um einen vorsätzlichen Akt tödlicher Gewalt gegen wehrlose Häftlinge.
In Teheran wurde der politische Gefangene Ali Younesi plötzlich aus dem Evin-Gefängnis verschleppt und an einen unbekannten Ort gebracht. Seine Familie berichtete von völliger Ungewissheit über seinen Verbleib sowie vom psychischen Zusammenbruch seiner Mutter. Die Justizbehörden verweigern jegliche Auskunft. Ihr Schweigen hat die Sorgen um das Schicksal Younesis erheblich verstärkt.
Das Evin-Gefängnis, insbesondere Trakt acht, steht unter massivem Druck. Eine Gruppe politischer Gefangener, darunter Reza Khandan, Saeed Hosseini und Abdolreza Valizadeh, richtete ein offizielles Schreiben an die Behörden mit der Forderung nach sofortiger Freilassung angesichts der Kriegslage. Sie berichteten von fehlenden Schutzräumen, fehlenden Warnsystemen und einem stark beschädigten Gebäudezustand. Der Journalist und Doppelstaatler Reza Valizadeh warnte in einer Nachricht an die Deutsche Welle, dass bei einem Angriff dieser Trakt in ein Massengrab politischer Gefangener verwandelt werden könne.
Auch im Qezel-Hesar-Gefängnis wurde Zartosht Ahmadi Ragheb, ein prominenter Gegner der Todesstrafe, allein wegen regierungskritischer Parolen in eine Isolationszelle des Sicherheitsbereichs überführt. Dieses Vorgehen war weder rechtmäßig noch sicher. Es diente ausschließlich der psychischen Zermürbung und disziplinarischen Einschüchterung.
Diese Vorgänge zeigen, dass Gefangene in Iran nicht nur systematisch ihrer grundlegenden Rechte beraubt werden. Selbst unter Kriegsbedingungen werden sie nicht geschützt, sondern gezielt zur Zielscheibe physischer und psychischer Gewalt gemacht. Doch selbst hinter dicken Gefängnismauern erhebt sich ihre Stimme. Ihr Ruf ist ein Aufschrei gegen eine Gewalt, die nicht nur auf den Straßen tobt, sondern tief in den Herzen der Gefängnisse lodert.
Teil vier: Internetabschaltung, Zensur und die digitale Sphäre als vermintes Gelände
In der Woche, in der Iran unter ausländischem Beschuss stand, unterließ es die Islamische Republik, ihre Bevölkerung transparent zu informieren oder zu schützen. Stattdessen kappte sie die Kommunikationswege und verschärfte die Zensur sowie die sicherheitsstaatliche Kontrolle. Seit Mittwoch ist das Internet für die Bevölkerung nahezu vollständig abgeschaltet, und der Zugang zu globalen Diensten ist massiv gestört. Nach Angaben der Organisation Access Now handelt es sich um die schwerste Internetabschaltung in der Geschichte der Islamischen Republik. Nutzbar sind lediglich inländische Applikationen wie „Bale“ und „Eitaa“, die unter der Kontrolle der Sicherheitsbehörden stehen.
Diese Unterbrechung betrifft nicht nur die Verbreitung von Informationen über die Angriffe. Sie dient vor allem der Ausschaltung unabhängiger Stimmen und der systematischen Unterdrückung alternativer Erzählungen. Die Bürgerinnen und Bürger sind von Nachrichtenquellen, vom Kontakt zu ihren Familien und sogar von der Möglichkeit zur Alarmierung medizinischer Notdienste abgeschnitten.
Die Justizbehörden warnten die Medien ausdrücklich vor der Veröffentlichung von Bildern und Nachrichten im Zusammenhang mit den Angriffen und drohten Journalistinnen und Journalisten mit strafrechtlicher Verfolgung. Gleichzeitig teilte die Staatsanwaltschaft in Teheran die Einrichtung eines sogenannten Beobachtungszentrums für digitale Räume mit. Offiziell soll es der Bekämpfung von Gerüchten dienen. In der Realität richtet es sich gegen gewöhnliche Nutzerinnen und Nutzer sowie gegen unabhängige Medien. In Yazd wurden mehrere Personen wegen Filmaufnahmen festgenommen. In Sanandaj wurden Droh-SMS an Bewohnerinnen und Bewohner verschickt. Beim Freitagsgebet in Ahvaz trat der vom Korps der Revolutionsgarden eingesetzte Imam mit einer Waffe über der Schulter auf und forderte die sofortige Hinrichtung all jener, die aus seiner Sicht mit dem Feind kollaborieren. Diese Worte stellen eine offene Drohung mit Gewalt und physischer Vernichtung dar.
Darüber hinaus wurden in Teheran und anderen Großstädten landesweit Kräfte der Basidsch-Milizen (paramilitärische -Milizen) und Sicherheitsbehörden auf die Straßen entsandt, ohne dass offiziell ein Ausnahmezustand oder Kriegsrecht verhängt wurde. Diese Präsenz hat die Atmosphäre der Angst verstärkt und die Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt. Der Oberste Nationale Sicherheitsrat veröffentlichte zudem eine Erklärung, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, mutmaßliche Anhänger des sogenannten zionistischen Regimes bis zum ersten Tir (23.Juni 2025) zu melden. Gleichzeitig wurde in Aussicht gestellt, dass bei Übergabe von Geräten eine islamische Amnestie gewährt werde. Tonfall und Inhalt dieser Mitteilung machen deutlich, dass das Regime bemüht ist, systematische Unterdrückung, gewaltsame Ausschaltung, vollständige Kontrolle über Realität und Erzählung sowie die Beeinflussung des Denkens der Bürgerinnen und Bürger inmitten der Krise weiter voranzutreiben.
Teil fünf: Frauen, Kinder, religiöse Minderheiten und Bedürftige, die vergessenen Opfer des Krieges der Islamischen Republik gegen das eigene Volk
Die staatliche Gewalt der Islamischen Republik beschränkte sich in der fünfundzwanzigsten Woche des Jahres 2025 nicht mehr allein auf politische Repression und die Verhaftung von Demonstrierenden. Deutlich wurde vielmehr, dass sich der Radius der Unterdrückung auf das alltägliche Leben und die grundlegenden Rechte aller Bürgerinnen und Bürger ausgeweitet hat. Von den Körpern der Frauen bis zum Leben von Säuglingen, von ökonomischer Freiheit bis zum Recht auf Kommunikation und Sicherheit, in all diesen Bereichen trat zutage, dass das Regime selbst im Kontext militärischer Bedrohung nicht den Schutz der Bevölkerung anstrebt, sondern deren systematische Auslöschung vorbereitet.
Während der militärischen Eskalation setzte das Regime ununterbrochen die Versendung von SMS zur Durchsetzung der Zwangsverschleierung gegen Frauen fort. Gerade in dieser Kriegssituation offenbarte sich der zutiefst ideologische und frauenfeindliche Charakter der Machthaber. In einer Lage, in der das Leben von Millionen Menschen bedroht ist, erscheint die Priorisierung weiblicher Kleidungsvorschriften nicht nur grausam, sondern auch zutiefst menschenverachtend.
Gleichzeitig wurden Urteile gegen Frauenrechtsaktivistinnen weiterhin ausgesprochen. In Dehgolan wurde Soheila Motaei in einem Verfahren ohne Zugang zu rechtlichem Beistand zu drei Monaten Freiheitsstrafe sowie zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Dieses Urteil steht exemplarisch für die fortgesetzte Einschüchterung und Bedrohung jener Frauen, deren einziges Verlangen Gleichheit und Freiheit ist. Die systematische Nutzung von Bewährungsurteilen dient dabei als Mittel, um die dauerhafte Angst vor erneuter Inhaftierung über zivilgesellschaftlich engagierten Frauen aufrechtzuerhalten.
In einer weiteren Tragödie kam Sarmaad Sajjadi ums Leben, ein neun Monate alter kurdischer Säugling aus Mariwan. Er starb an den Folgen eines Splitters, der bei einem Luftabwehreinsatz der Revolutionsgarde in seine Familie einschlug. Auch sein Vater wurde schwer verletzt. Das Geschoss, abgefeuert von einem Militärstützpunkt in Baneh, traf willkürlich ein ziviles Ziel. Es folgten weder eine offizielle Entschuldigung noch eine Untersuchung, noch ein Versuch der Wiedergutmachung.
Zugleich wurden Berichte über die Verhaftung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger der Bahai-Gemeinschaft veröffentlicht. Der Vorwurf lautete Spionage für Israel. Diese Entwicklung weckt berechtigte Sorgen über eine mögliche Rückkehr zu religiös motivierten Massenhinrichtungen, wie sie das Regime in früheren Jahrzehnten praktiziert hat.
Auch im wirtschaftlichen Bereich verschärfte sich die Repression. Millionen Menschen wurde der Zugriff auf ihre Bankkonten verweigert, ohne gerichtliche Anordnung, ohne vorherige Mitteilung. Diese Maßnahme gleicht einer wirtschaftlichen Einkerkerung. Sie hat inmitten der Krise unzählige Existenzen zerstört.
All diese Vorgänge ergeben ein vollständigeres Bild der Repression im heutigen Iran. Es ist das Bild eines Staates, der sich in jeder Krise seiner Schutzverantwortung entzieht und die Gelegenheit nutzt, um das Projekt einer schrittweisen und systematischen Vernichtung seiner eigenen Gesellschaft weiterzuführen.
Krieg als Vorwand, Repression als Ziel
Die fünfundzwanzigste Woche des Jahres 2025 markiert einen historischen Wendepunkt. Nicht aufgrund der äußeren Angriffe, sondern wegen der unverhüllten Offenbarung eines Staates, der nicht in Krisen gerät, sondern sie gezielt erzeugt. Die Islamische Republik hat in diesen Tagen unmissverständlich gezeigt, dass ihr eigentlicher Feind nicht jenseits der Grenzen zu finden ist, sondern im Innern des Landes. Er lebt in den Wohnungen der Bürgerinnen und Bürger, in den Gefängniszellen und hinter den Mauern der staatlich überwachten digitalen Plattformen.
In dieser Woche wurden mindestens fünfzehn Menschen hingerichtet. Dutzende weitere befinden sich unter dem Vorwurf der Spionage in akuter Lebensgefahr. Mehr als siebzig Personen wurden landesweit festgenommen. Mindestens zehn Inhaftierte kamen durch die Gewalt staatlicher Kräfte ums Leben. Viele weitere wurden schwer verletzt. Ein Säugling starb durch eine Kugel der Revolutionsgarde. Der Zugang zum Internet wurde fast vollständig gekappt. Bankkonten wurden ohne rechtliche Grundlage gesperrt. Journalistinnen und Journalisten wurden bedroht. Angehörige von getöteten Demonstrierenden verhaftet. Und Abertausende wurden in einen Zustand völliger Isolation und Ungewissheit gestürzt. Diese Zahlen stehen nicht nur für Einzelschicksale, sie sind Ausdruck eines systematisch inszenierten Staatsterrors.
Dieser Bericht ist keine bloße Auflistung von Vorfällen innerhalb einer einzigen Woche. Er ist ein dringlicher Appell. Ein Weckruf an die internationale Gemeinschaft, an alle Menschenrechtsorganisationen und an jedes wache Gewissen. Die Islamische Republik nutzt den äußeren Konflikt als Deckmantel, um die Repressionsmaschinerie im Inneren auf ein neues, finales Niveau zu heben. Die erfundenen Spionagevorwürfe, die Massenverhaftungen zivilgesellschaftlicher Kräfte, die vollständige Informationsblockade, die Einschüchterung der Presse, die Inhaftierung von Hinterbliebenen und die Drohungen mit standrechtlichen Exekutionen von der Kanzel des Freitagsgebets aus,sie alle sind Bestandteile eines umfassenden Systems der Unterdrückung.
Angesichts dieser Eskalation stehen wir vor einer klaren Wahl. Entweder wir schweigen und schauen zu. Oder wir erheben uns, dokumentieren, berichten und widersprechen. Jeder in diesem Bericht genannte Name, jede Stimme, die noch nicht zum Schweigen gebracht wurde, verdient es, gehört, gesehen und geschützt zu werden. Wenn wir heute schweigen, werden wir uns morgen fragen müssen, warum niemand gehandelt hat.