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Wöchentlicher Bericht über Menschenrechtsverletzungen

Die Organisation Iranische Liberale Frauen berichtet über eine alarmierende Serie von Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran, die in der vergangenen Woche verzeichnet wurden. Von Hinrichtungen über harte Urteile gegen Demonstrierende bis hin zu schweren Angriffen auf Frauenrechte – das Klima der Unterdrückung bleibt bedrückend, während die internationale Gemeinschaft weitgehend schweigt. Die wichtigsten Fälle im Überblick:

KW 26/2025 – Nach dem Waffenstillstand

Nach dem Waffenstillstand: Repression, Hinrichtungen und das Auslöschen protestierender Stimmen

In der Woche nach dem Ende der gegenseitigen Angriffe zwischen der Islamischen Republik und Israel kehrte keineswegs Ruhe ein. Stattdessen begann die Islamische Republik eine neue Welle umfassender Repressionen und zeigte deutlich, dass ihr eigentlicher Feind das iranische Volk ist. Die Regierung verwandelte diese Gelegenheit in ein Mittel zur Einschüchterung, politischen Abrechnung und Zerstörung gesellschaftlicher Strukturen – von Massenverhaftungen bis hin zu Druck auf religiöse Minderheiten, zivilgesellschaftliche Aktivist*innen und trauernde Familien.

Umfassende Angriffe auf die Bevölkerung: Massenverhaftungen nach dem Waffenstillstand

In der Woche nach dem Ende des Krieges startete das Regime gezielte, landesweite Repressionen gegen die eigene Bevölkerung. Statt zur Normalität zurückzukehren, verfolgte der Staat seine Bürger weiter mit Härte. Mindestens 700 Menschen wurden in den Provinzen Kermanshah, Fars, Isfahan, Khuzestan und Lorestan festgenommen. In Kermanshah allein wurden 115 Personen unter dem Vorwurf der „Propaganda gegen das System“ und „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ inhaftiert. Ein europäischer Staatsbürger wurde wegen Spionage verhaftet. Diese Festnahmen erfolgten oft ohne gerichtliche Anordnung und mit Gewalt. Es wurden viele Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen gemeldet.

Repression gegen religiöse Minderheiten

Die religiösen Minderheiten, insbesondere die Bahai-Gemeinschaft, waren gezielter Verfolgung ausgesetzt. In mehreren Städten – darunter Qazvin, Yasuj, Shiraz, Rafsanjan, Birjand, Bushehr und Juybar – wurden mindestens zehn Bahai-Bürger ohne rechtliche Grundlage verhaftet. Sicherheitskräfte stürmten ihre Wohnungen, beschlagnahmten persönliche Gegenstände und brachten einige der Verhafteten an unbekannte Orte. Zusätzlich wurden 35 jüdische Bürger in Teheran und Shiraz wegen Kontakten zu Verwandten in Israel vorgeladen und verhört. Ihnen wurde auferlegt, derzeit jegliche internationale Kommunikation zu unterlassen.

Bahai

Verhaftungen von Aktivistinnen, Künstler*innen, Journalist*innen und Nutzer*innen sozialer Netzwerke

Auch zivilgesellschaftliche Akteure wurden weiterhin massiv verfolgt. Der Designer und Fotograf Reza Daryakanari wurde in einem Teheraner Café festgenommen – über sein Schicksal ist nichts bekannt. Der politische Aktivist Farshad Dastmardi aus Dehdasht wurde zu über sechs Jahren Haft verurteilt, nachdem er bereits zuvor schwer gefoltert worden war. Auch der Aktivist Kourosh Jalil aus Yasuj wurde zu 25 Monaten Haft verurteilt. Der Forscher und Moderator Sajjad Sadeghi wurde in seinem Haus verhaftet. Die Rapper Daniyal Moghaddam und Mohammadreza Ehsanifard (Khalagh) wurden wegen ihrer regimekritischen Musik festgenommen. Weitere Festnahmen betrafen den Karikaturisten Rahim Baghaal Asghari aus Tabriz sowie den Arbeiter Javad Jafari. Auch der Rechtsanwalt Dr. Ebrahim Parsamehr wurde ohne jegliche Auskunft zu seiner Anklage oder seinem Verbleib festgenommen – seine Familie ist völlig ahnungslos.

Daniyal Moghaddam
Daniyal Moghaddam

Zielgerichtete Drohungen gegen Exiljournalist*innen und deren Familien

Auch im Ausland tätige Journalist*innen wurden durch Repression ihrer Familien unter Druck gesetzt. Drei Angehörige eines Moderators von Iran International wurden von den Revolutionsgarden festgenommen und bedroht, um ihn zur Kündigung zu zwingen. Familienangehörige von Mitarbeitenden des Senders Manoto erhielten ähnliche Drohungen: Sollte die Zusammenarbeit nicht beendet werden, würden Anklagen wegen „Kriegsführung gegen Gott“ oder „Spionage“ folgen.

Verabschiedung repressiver Gesetze: Todesstrafen auf dem Vormarsch

Das Parlament verabschiedete ein neues Gesetz zur „Verschärfung der Strafen für Spionage und Zusammenarbeit mit Israel und feindlichen Staaten“. Artikel 9 dieses Gesetzes erlaubt sogar die rückwirkende Anwendung – ein direkter Weg zur Todesstrafe für viele politische Gefangene. Dies hat unter Inhaftierten eine Welle der Angst ausgelöst.

Digitale Repression: Internet, Likes und Kontrollpunkte

Die Repression dehnt sich auch auf den digitalen Raum aus. Die Nutzung von Starlink wurde unter Strafe gestellt. Nutzer sozialer Netzwerke erhielten Droh-SMS, unterzeichnet von einer fiktiven „Verfolgungszentrale“. Darin hieß es, dass jegliche Unterstützung oder Likes für Israel als Sicherheitsverbrechen gewertet würden. In den Straßen von Teheran und anderen Städten wurden ohne gerichtliche Anordnung Kontrollpunkte eingerichtet – von Zivilbeamten, Basij-Milizen und Revolutionsgarden, in einer Atmosphäre ähnlich der 1980er Jahre.

Verschwundene Häftlinge und Isolation

Viele Familien wissen nicht, was mit ihren Angehörigen geschehen ist. Donya Hosseini hatte nach ihrer Verhaftung am 16. Juni nur einen Anruf aus dem Evin-Gefängnis. Nach dem Angriff auf das Gefängnis und der Verlegung vieler Häftlinge gibt es keinen Kontakt mehr. Die 25-jährige politische Gefangene Arghavan Fallahi ist seitdem verschwunden. Auch über das Schicksal von Motahhareh Gouneh, Ali Younesi und Bijan Kazemi gibt es keine Informationen.

Hinrichtungen als letzte Waffe der Islamischen Republik

Die Islamische Republik verstärkte in der vergangenen Woche die innerstaatliche Repression und griff erneut auf ihr altbewährtes Mittel zurück: die Todesstrafe. Kurz nach dem Stopp der israelischen Angriffe wurden mehrere Hinrichtungen vollstreckt – ein deutliches Zeichen für diese blutige Strategie: Unterdrückung durch staatlichen Mord.

Drei Gefangene – Edris Ali, Azad Shoja’i und Rasul Ahmad Rasul – wurden im Gefängnis von Urmia unter dem Vorwurf der „Spionage für Israel“ hingerichtet. Zwei von ihnen waren kurdische Grenzträger aus Sardasht, einer war irakischer Staatsbürger. Es gab kein öffentliches Verfahren. Zeitgleich wurde auch Mohammad Amin Mahdavi Shayesteh, ein politischer Gefangener, hingerichtet. Seine Todesstrafe war von einem berüchtigten Revolutionsgericht sowie vom Obersten Gericht bestätigt worden. Die Urteile basierten auf Geständnissen unter Folter. Die Leiche von Esmail Fekri wurde zwei Wochen nach der Hinrichtung nicht an die Familie übergeben. Gefängnismitarbeiter verlangten Geld, um den Begräbnisort zu verraten.

Edris Ali, Azad Shoja’i und Rasul Ahmad Rasul
Edris Ali, Azad Shoja’i und Rasul Ahmad Rasul

Hinrichtungen betrafen auch andere Delikte: In Ardebil, Arak, Qom, Isfahan, Nishabur und Mashhad wurden Menschen wegen Mord oder Drogenhandel hingerichtet. Mindestens 15 Menschen wurden innerhalb einer Woche hingerichtet – die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Entscheidend ist nicht nur die Anzahl, sondern die Geschwindigkeit, geografische Streuung und Gleichzeitigkeit mit neuen repressiven Gesetzen. Diese beinhalten auch die Kriminalisierung von Satelliteninternet (Starlink) und machen den digitalen Raum zu einem weiteren Schlachtfeld der Repression.

Gefängnisse als kollektive Folterzentren

Nach dem Angriff auf das Evin-Gefängnis wurden weibliche politische Gefangene ohne Habseligkeiten nach Qarchak und ins Große Teheraner Gefängnis verlegt. Qarchak wird von Augenzeugen als „tägliche Hölle“ beschrieben – mit Armut, Gewalt, schlechter Hygiene und struktureller Diskriminierung. Es gibt keine Betten oder sanitären Einrichtungen. Ältere Frauen wie Raheleh Rahimi und Kobra Beigi leiden dort unter unerträglichen Bedingungen.

Auch das Große Teheraner Gefängnis leidet unter Überfüllung (120 Personen in 30er-Räumen), fehlender Belüftung, Wassermangel, Drogenabhängigkeit und fehlender Trennung politischer Gefangener von anderen Häftlingen. Der 69-jährige iranisch-britische Häftling Mehran Rauf lebt mit Diabetes und chronischer Sinusitis ohne medizinische Betreuung. Mustafa Tajzadeh berichtete seiner Familie von katastrophalen Zuständen in einer 6×6-Meter-Zelle mit 35 Personen und nur 8 Betten. Kranke wie Mohammad Baqer Bakhtiar erhalten keine Medikamente. Die Justizbehörde ignoriert alle Regelungen für Kriegsnotfälle.

Auch der begabte Student Ali Younesi meldete sich nach 12 Tagen ohne Kontakt aus einem Sicherheitsflügel mit extrem schlechten hygienischen Bedingungen. Über das Schicksal von Arghavan Fallahi, Motahhareh Gouneh und Bijan Kazemi gibt es weiterhin keine Informationen.

Femizid: Wenn das Gesetz auf der Seite der Männer steht

Am Samstag, 27. Juni 2025, wurde die Volleyballtrainerin Solmaz Abbasi in Urmia von ihrem Ehemann mit Messerstichen getötet – während eines Termins zur Scheidung im Büro eines Anwalts. Der Täter verletzte sich anschließend selbst und befindet sich im Krankenhaus sowie in Polizeigewahrsam.

Dieses Verbrechen ist eine direkte Folge eines Systems, das den Mann als Eigentümer der Frau betrachtet und Gewalt gegen Frauen legitimiert. Frauen müssen im Iran zahllose Hürden überwinden, um sich scheiden zu lassen. Viele werden ermordet, wenn sie Widerstand leisten. Frauenfeindliche Gesetze und religiöse Richter machen Femizid möglich und alltäglich. Solange dieses System besteht, wird es keine Sicherheit für Frauen geben.

Fazit

Alles, was in der Woche nach dem Krieg geschah, war eine umfassende sicherheitspolitische Strategie zur Auslöschung jeder unabhängigen Stimme, jedes zivilgesellschaftlichen Organs und jeder Hoffnung auf Wandel. Unter dem Vorwand des Krieges führt die Islamische Republik einen umfassenden Angriff auf die eigenen Bürger – durch Verhaftung, Folter, Hinrichtung und Drohungen. Dieser Bericht zeigt nur einen Teil eines viel größeren Bildes. Schweigen bedeutet Mitschuld.