IGFM-Pressekonferenz zur Lage im Iran: Blutbad oder neue Hoffnung ?

IGFM-Pressekonferenz zur Lage im Iran: Blutbad oder neue Hoffnung?

Am 30. Juni lud die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte zu einer Pressekonferenz mit einer hochkarätig besetzten Expertenrunde ein. Im Mittelpunkt stand die aktuelle Lage im Iran.

Haleh Ramandi, Mitglied der Iranischen Liberalen Frauen, zeichnete ein eindringliches Bild: Das islamische Regime befinde sich in einer tiefgreifenden politischen und wirtschaftlichen Krise. Ihrer Einschätzung nach sei der Zerfallsprozess des Systems bereits im Gange. Innerhalb der Machtstrukturen gebe es ernsthafte innerpolitische Kämpfe – über die jedoch kaum öffentlich berichtet werde.

 

Wird es nach dem Waffenstillstand ein Blutbad oder neue Hoffnung geben?

Die Antwort ist: beides – je nachdem, wie sich die nächsten Wochen entwickeln. Was wir auf jeden Fall sehen, ist erschreckend: Innerhalb von nur zwölf Tagen hat das Regime mehr als 700 Menschen wegen angeblicher Spionage für Israel verhaftet. Viele davon wurden hingerichtet, andere schweben akut in Lebensgefahr.

Aber wir sehen auch etwas anderes: Die Islamische Republik steckt nach dem Waffenstillstand mit Israel in einer ihrer schwersten Krisen überhaupt – innenpolitisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Mehr als 30 hochrangige Generäle der Revolutionsgarden, die zum engsten Kreis rund um Khamenei gehörten, wurden gezielt ausgeschaltet.

Was wir dabei auch nicht vergessen dürfen: Der Waffenstillstand hat den Krieg nicht wirklich beendet – er hat ihn nur kurz angehalten. Während Donald Trump öffentlich von einem diplomatischen Erfolg spricht, steht das Regime in Teheran weiterhin massiv unter Druck – und zwar nicht nur von außen, sondern vor allem im Innern. Der Machtkampf innerhalb der Islamischen Republik ist real. Auch wenn er in den Medien kaum sichtbar ist, brodelt er hinter den Kulissen heftig.

Auch militärisch wurde das Regime schwer getroffen: Die Nuklearanlagen in Natanz, Fordo und Isfahan wurden bei israelischen Luftangriffen massiv beschädigt. Gleichzeitig hat der Iran ganz offensichtlich die Kontrolle über seinen eigenen Luftraum verloren – ein klarer Schlag, sowohl symbolisch als auch militärisch, für ein Regime, das sich seit Jahren als souveräne Regionalmacht inszeniert.

Ein weiterer Hinweis auf den möglichen Zusammenbruch des Regimes ist der Zugang Israels zu sensiblen Informationen im Iran. Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass Israel über sehr genaue Kenntnisse über das Innenleben des Regimes verfügt. Innerhalb der Führung wächst deshalb das Misstrauen – sogar untereinander. Es heißt, dass selbst die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden gestört oder abgehört worden sein könnte.

Und dann ist da noch das, was kaum jemand anspricht: Laut IAEA-Berichten fehlen über 400 Kilogramm Uran mit 60 % Anreicherung – also Material, das durchaus für den Bau von 9 Atombomben genutzt werden könnte. In einem so instabilen System ist das nicht nur ein regionales, sondern ein globales Risiko.

Parallel dazu rutscht die Wirtschaft immer tiefer in die Krise. Der Krieg hat das Haushaltsdefizit vergrößert, wichtige Energieanlagen – wie das Gasfeld „Pars Süd“ – sind beschädigt, und Kapital flieht in Massen aus dem Land. Es gibt kaum noch Investitionen, der Außenhandel bricht ein, und die Bevölkerung leidet unter massiver Inflation, Mangelversorgung und zunehmender Unsicherheit.

Auch aus Deutschland wird die Kritik lauter. CDU-Politiker wie Armin Laschet und Norbert Röttgen haben die EU scharf dafür kritisiert, dass sie so zögerlich reagiert. Außenminister Wadephul, der sich kürzlich noch mit Araghchi getroffen hat, hat sogar vorgeschlagen, internationale Sanktionen wieder einzuführen – als Antwort auf die atomare Eskalation und die brutale Unterdrückung im Land.

Was wir aktuell erleben, ist keine normale außenpolitische Krise. Es ist der beginnende Zusammenbruch eines autoritären Machtapparats, der jahrzehntelang auf Angst, Kontrolle und Gewalt aufgebaut war. Die Propaganda läuft zwar weiter auf Hochtouren – mit der üblichen „Widerstands“-Rhetorik –, aber selbst Khamenei tauchte tagelang ab und meldete sich erst Tage nach dem Waffenstillstand aus einem unbekannten Ort zu Wort.

Was auch auffällt: Über den inneren Zerfall des Regimes wird hierzulande kaum gesprochen. Wenn es knallt, kommt das in die Schlagzeilen – aber über die langsame Implosion von innen wird kaum geredet. Dabei ist genau das der entscheidende Punkt für Irans Zukunft. Aus dem Land hört man mittlerweile Gerüchte, dass sogar die sogenannten Reformisten innerhalb des Regimes wie Rohani oder Faeze Rafsanjani um die Macht kämpfen – und das wäre für viele Iranerinnen und Iraner ein absoluter Albtraum.

Aber zurück zue Hoffnung: Die demokratische Opposition – ob im Land selbst oder im Exil – braucht jetzt mehr als nur Aufmerksamkeit. Sie braucht Unterstützung, internationale Sichtbarkeit und eine strategische Koordination. Vor allem müssen jene Gruppen gestärkt werden, die sich klar von antiwestlichen und antisemitischen Positionen distanzieren wie Kronprinz Reza Pahlavi– denn solche Haltungen werden von der Mehrheit der Iraner:innen abgelehnt.

Leider hören wir gerade jetzt immer wieder – auch von iranischstämmigen Politiker:innen, Journalist:innen oder Aktivist:innen – die Warnung, ein Regimewechsel könne im Chaos enden, wie in Afghanistan, im Irak oder in Libyen. Das spielt dem Regime direkt in die Hände. Solche Aussagen blenden aus, dass das iranische Volk zivilgesellschaftlich extrem weit entwickelt ist. Ein Vergleich mit Afghanistan oder dem Irak ist in dem Sinne nicht richtig.

Gleichzeitig gibt es Versuche, durch die Angst vor Separatismus einen möglichen Regimechange zu verhindern und die Islamische Republik zu retten. Diese Rhetorik stammt direkt vom Regime. Denn obwohl Iran ein Vielvölkerstaat ist – mit mehr als 40 Sprachen – hat es über Jahrhunderte hinweg gezeigt, dass Vielfalt in Einheit und Einheit in Vielfalt möglich ist. Die lautstarken separatistischen Gruppen existieren, aber sie sind unbedeutend.

In dieser entscheidenden Phase dürfen wir die Zukunft Irans nicht dem Zufall überlassen.

Der Waffenstillstand mag gelten – aber unter der Oberfläche brodelt es: Unterdrückung, ökonomischer Druck, nukleare Unsicherheit und ein Volk, das sich an Freiheit erinnert.

Vielleicht ist das hier nicht nur das Ende eines bewaffneten Konflikts. Vielleicht erleben wir gerade den langsamen Zerfall eines autoritären Regimes – und den Beginn von etwas völlig Neuem. Das Fenster für Veränderung steht offen. Jetzt kommt es darauf an, wie wir es nutzen.

https://www.igfm.de/pressegespraech-iran-droht-ein-blutbad-oder-gibt-es-hoffnung/

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