Über den iranischen Feminismus

Women rights pahlavi era

Die meisten feministischen Strömungen, die im politischen und sozialen Diskurs des heutigen Iran aktiv sind, äußern eine dezidiert kritische Haltung gegenüber den Reformen der Pahlavi-Ära im Bereich der Frauenrechte. Für Personen, die mit feministischen Bewegungen und ihren theoretischen Grundlagen nicht vertraut sind, mag dies paradox erscheinen. Denn die Pahlavi-Regierung führte tiefgreifende Reformen durch: Sie gewährte Frauen das Wahlrecht, verabschiedete das Familiengesetz, erweiterte den Zugang von Frauen zur Hochschulbildung, eröffnete ihnen neue Möglichkeiten in Justiz und Politik, bekämpfte den obligatorischen Hijab und schuf damit insgesamt wesentliche Voraussetzungen für die Teilhabe von Frauen im öffentlichen Raum. Diese Maßnahmen hatten zweifellos nachhaltige und positive Auswirkungen auf das Leben iranischer Frauen.

Die Ablehnung vieler heutiger Feministinnen lässt sich jedoch dadurch erklären, dass der zeitgenössische iranische Feminismus stark von postmodernen, poststrukturalistischen und postkolonialen Theorien beeinflusst ist. Unter dem Eindruck dieser Theorien werden die Reformen der Pahlavi-Ära als problematisch betrachtet: Sie seien ohne aktive Beteiligung der Frauen umgesetzt worden, hätten einen westlich geprägten Lebensstil einer traditionell orientierten Gesellschaft aufgezwungen, das lokale Diskursfeld und die weibliche Handlungsmacht (agency) verdrängt und die Modernisierung als autoritären Prozess erscheinen lassen. Auf diese Weise wird die tatsächliche Wirkung der Reformen weitgehend ausgeblendet.

Bemerkenswert ist zudem, dass ein Großteil dieser zeitgenössischen Feministinnen lauter Kritik am Pahlavi-Regime und dessen entwicklungsorientierter Monarchie übt als an den Rückschritten, die nach dessen Sturz einsetzten. Nach der Revolution von 1979 war die erste aufgehobene Rechtsnorm das Familiengesetz. Darüber hinaus führten die Einführung des obligatorischen Hijabs, neue Vorschriften zu Scheidung, Sorgerecht und weiblicher Erwerbstätigkeit sowie zahlreiche weitere Maßnahmen zu erheblichen Einschränkungen bereits erkämpfter Rechte.

Womenelection1963

Diese Spannungen sind jedoch nicht auf iranische Feministinnen beschränkt. Seit den 1990er Jahren ist die neue Generation des Feminismus weltweit stark von postmodernen und postkolonialen Diskursen geprägt. In diesen Diskursen geht es längst nicht mehr primär um rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern, sondern um eine radikale Gegenüberstellung: Alles, was mit dem westlichen, weißen, bürgerlichen Mann verbunden ist, gilt als grundsätzlich negativ; alles, was diesem entgegensteht, als grundsätzlich positiv.

Dies wirft eine zentrale Frage auf: Wie lässt sich einerseits die Verteidigung der Frauenrechte betonen, während man andererseits die westliche Kultur und Zivilisation ablehnt, die gerade jene rechtlichen Grundlagen für Frauenrechte (sowie für die Rechte anderer Minderheiten wie Homosexueller oder ethnischer Gruppen) geschaffen hat? In vielen Kulturen, die von postkolonialen Theorien gegen den „bösen Westen“ in Schutz genommen werden, sind Frauen bis heute grundlegende Rechte verwehrt und unterliegen repressiven Praktiken wie Genitalverstümmelung oder einer extrem niedrigen Heiratsaltersgrenze.

Die Folge dieser Widersprüche ist eine Schwächung der tatsächlichen Frauenrechte. Auch der iranische Feminismus – ähnlich wie sein westliches Pendant – verfängt sich in dieser Problematik: Er leugnet die historischen Errungenschaften der Pahlavi-Ära im Bereich der Frauenrechte und schweigt zugleich über die Diskriminierungen, die von religiös geprägten, teils dogmatischen und fanatischen Subkulturen ausgehen.

Behnam Karim Mirza

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