Mossadegh: Mythos und Realität einer umstrittenen Ära

Mossadegh

Sieben Jahrzehnte sind seit dem Sturz von Mossadegh vergangen. Doch Mossadegh bleibt eine Vergangenheit, die nicht verblasst. Sie geht nicht einfach vorüber, sie bleibt ein ständiger Begleiter. Hier gibt es zahllose feine Nuancen und selbst die Wahl des Themas rund um den 19. August 1953 gestaltet sich schwierig. Die brisanteste Frage im Zusammenhang mit dem 19. August lautet: War der Sturz von Mossadegh eine „Absetzung“ oder ein „Putsch“?

Das „Bild Mossadeghs“ – der Mythos, der sich um ihn in der modernen Geschichte gebildet hat – gleicht einer Münze mit zwei Seiten. Auf der einen Seite steht Mossadeghs Widerstand gegen den Kolonialismus, auf der anderen seine Opposition gegen die Tyrannei. Mossadegh wird als eine herausragende Figur betrachtet, und das aus zwei Gründen: Zum einen für seinen Widerstand gegen den Kolonialismus und die Verstaatlichung des Öls, zum anderen für seinen Kampf gegen die Tyrannei. Die erste Seite dieser Münze ist zumindest psychologisch nachvollziehbar. Durch seine unerschütterliche Haltung in der Ölfrage löste er eine Welle der Begeisterung in der jungen Generation. Ob es alternative Ansätze für den Ölkonflikt gegeben hätte, ist eine Frage, über die man streiten kann. Doch die Realität ist, dass Mossadeghs Ziel weit über das Öl hinausging – er strebte danach, „die Kanäle des britischen Einflusses im Iran zu blockieren“.

Dieser radikale Ansatz löste sowohl im Iran als auch in anderen Ländern große Begeisterung aus. Die Begeisterung war so groß, dass ein irischer Taxifahrer in New York, als er erfuhr, dass sein Fahrgast aus dem Iran kam, vor Freude kein Geld von ihm nehmen wollte, weil er dachte, Mossadegh habe den britischen Einfluss besiegt. Wenn eine solche „Begeisterung“ schon bis zu den Herzen der Iren in New York vorgedrungen war, was konnte man dann von einer jungen Generation erwarten, die gerade einmal zehn Jahre zuvor ihr Land unter fremder Besatzung erlebt hatte? Natürlich sehen wir heute die Konsequenzen dieser Begeisterung, aber von jungen und unerfahrenen Menschen konnte man damals nicht erwarten, dass sie die politischen Zusammenhänge ideologisch durchdringen oder eine langfristige Perspektive einnehmen. Wir verstehen die iranische Gesellschaft von 1953 nicht wirklich – und genauso wenig verseht sie uns. Selbst unter den gebildeten und erfahrenen Staatsmännern gab es nur wenige, die die Zukunft wirklich vorausahnten, wie etwa Foroughi [1]. Was durfte man also von einer jungen Generation erwarten, die sich gerade erst in die Wirren des Nationalismus und Sozialismus stürzte?

Unabhängig von unserer heutigen Perspektive betrachtet, erscheint Mossadegh, wenn man ihn im historischen Kontext sieht, als Symbol für eine Zeit des Erwachens der Massen. Was er sagte, war der Ruf der Bevölkerung, und die ihm zugeschriebene Begeisterung ist eine historische Tatsache – auch wenn diese Begeisterung aus der Sicht der Politikwissenschaft und Ideologieforschung durchaus kritisch betrachtet werden kann. Daher lässt sich eine Seite der Medaille des Mossadegh-Mythos im historischen Kontext durchaus akzeptieren.

Doch die andere Seite, nämlich Mossadeghs Opposition gegen die Tyrannei, erscheint aus historischer Perspektive jedoch sehr fragwürdig. Im Gegensatz zu dem Bild, das nach seinem Sturz von ihm gezeichnet wurde, war Mossadegh ein autoritärer Staatsmann, dessen Denken und Handeln eindeutig rechtsgerichtet waren. Mossadegh sollte eher zu den Autoritären gezählt werden als zu den Demokraten. In Wirklichkeit ist die Vorstellung, der Konflikt zwischen Schah und Mossadegh sei ein Kampf zwischen demokratischen und antidemokratischen Kräften gewesen, nichtzutreffend.

Keine der beiden Seiten dieses Konflikts war demokratisch. Meiner Ansicht nach waren beide Parteien nicht bereit, sich an die verfassungsmäßigen Prinzipien zu halten, wenn diese ihren Interessen zuwiderliefen. Der Schah war nicht bereit, ein konstitutioneller Monarch zu sein – obwohl er sich in der Regel bemühte, die rechtlichen Formen zu wahren – und Mossadegh sowie seine Anhänger hielten sich ebenfalls nicht an die Prinzipien der Verfassung, wenn diese ihnen schadeten. Hier liegt jedoch ein Problem: Diejenigen, die den Schah unterstützten oder noch immer unterstützen, haben ihn nie für seine „Demokratie“ gelobt. Sie sehen ihn eher als Symbol für das Gemeinwohl und die Entwicklung. Zumindest habe ich nie gehört, dass der Schah für seine demokratischen Prinzipien gepriesen wurde. Mossadegh hingegen wurde zum Symbol demokratischer Bestrebungen erhoben, was jedoch nicht der Realität entspricht.

Zwar entstand die „Nationale Front[2]“ aus dem Widerstand gegen die Einmischung der Regierung in die Wahlen, doch man könnte Mossadeghs Regierungszeit auch als „eine Geschichte des Konflikts mit dem Parlament“ beschreiben. Mossadegh, seine Gefolgsleute und später auch seine Anhänger betonten immer wieder, dass der Grund für seinen Konflikt mit dem Parlament und anderen verfassungsmäßigen Institutionen darin lag, dass der Kolonialismus in diese Strukturen eingedrungen war. Wenn man dies jedoch als Rechtfertigung für seine Haltung akzeptiert, könnte jeder autoritäre Akteur einen plausiblen Grund finden, um gegen demokratische Institutionen vorzugehen. Mossadegh kann daher nicht als Demokrat bezeichnet werden, da er die gesamte Zeit damit verbrachte, die Machtbasis seiner Gegner zu schwächen, ohne bereit zu sein, irgendeinen demokratischen Kompromiss einzugehen.

Der Umgang des Parlaments mit Mossadegh war weitaus milder als der Umgang, den Mossadegh selbst mit den ihm missliebigen Staatsmännern pflegte, als er noch Parlamentsmitglied war. Zum Beispiel sabotierte Mossadegh zusammen mit seiner Fraktion alles, was gegen Razmara[3] gerichtet war. Man kann nur erahnen, was passiert wäre, wenn Razmara Mossadeghs unerbittlichem Urteil unterlegen wäre. Razmaras jährliches Budget wurde von Monat zu Monat immer wieder verabschiedet, und er geriet unter Druck wegen seines Vorhabens, Geld zu drucken – dabei war einer der Gründe, warum Mossadegh später das Parlament auflöste, dass ein Teil des Parlaments gegen das Drucken von ungedecktem Geld war. Schon vor Razmara, als Mansour für eine Zeit Premierminister war und Mossadegh den Vorsitz der Ölkommission innehatte, ließ Mossadegh Mansour wissen: „Ich werde dich wie ein Huhn schlachten!“ Diese Drohung richtete er auch gegen Razmara. Darüber hinaus brach Mossadegh mit seinen Anhängern bei der Einführung von Razmara im Parlament ein solches Chaos aus, dass die Bänke des Parlaments zerbrachen und Mossadegh sogar ohnmächtig wurde. Der traurigste Teil dieser Geschichte ist jedoch, dass genau dieselbe Fraktion, die Mossadegh unterstützte, später ein Gesetz verabschiedete, mit dem Razmaras Mörder begnadigt wurden! Dies war wahrlich ein dunkles Kapitel für das Parlaments.

Das deutlichste Zeichen von Mossadeghs Feindseligkeit gegenüber dem Parlament war zweifellos das Gesetz über die „Vollmachten“. Durch diesen Gesetzesvorschlag erhielt Mossadegh vom Parlament die Erlaubnis, Gesetze zu erlassen – zunächst für sechs Monate, später für ein Jahr. Ein solches Gesetz führte dazu, dass Exekutive und Legislative in einer Person zusammengefasst wurden, was eine fundamentale Ablehnung des demokratischen Prinzips der Gewaltenteilung darstellt. Das bekannteste Beispiel für ein solches Gesetz in der Geschichte ist das, das Hitler vom deutschen Parlament erhielt. Mit denselben Vollmachten verwandelte er innerhalb weniger Monate eine der besten Demokratien Europas in ein totalitäres Regime. Natürlich möchte ich Mossadegh keinesfalls mit Hitler vergleichen, und es gibt in der politischen Geschichte auch Beispiele, bei denen die Übertragung legislativer Befugnisse an einen Regierungschef gut ausgegangen ist. Aber der Kern dieser Handlung war nichts anderes als die Umgehung des Parlaments – und das Parlament war das Herzstück der iranischen Verfassung. Interessanterweise war Mossadegh zuvor stets ein entschiedener Gegner der Übertragung legislativer Befugnisse an die Exekutive. Im sechsten Parlament hatte er die Übertragung weit weniger weitreichenderer Befugnisse an Ali Akbar Davar, den Justizminister, abgelehnt. Nur ein Jahr vor seiner eigenen Regierungszeit hatte er sich gegen die Übertragung von noch geringeren Befugnissen an Razmara ausgesprochen. Mossadegh wusste also besser als jeder andere, dass dieses Gesetz zutiefst antidemokratisch war.

Wenn Sie jetzt denken, dass Mossadegh diese Vollmachten nicht missbrauchte, dann täuschen Sie sich gewaltig! Mit diesen Vollmachten führte er das „Gesetz über soziale Sicherheit“ ein, eines der repressivsten Gesetze, das jemals im Iran verabschiedet wurde. Nach diesem seltsamen Gesetz wurde jede Form von Protest oder Streik sofort mit Verhaftung und Verbannung bestraft. Das bedeutet, dass jeder Protest und jede Form von Streik in Behörden und Fabriken, unter beliebigem Vorwand strafbar war! Noch schlimmer war, dass gegen eine Verhaftungsanordnung kein Einspruch eingelegt werden konnte! Und das Schockierendste: In Artikel 5 des Gesetzes hieß es: „Berichte von Zuständigen der Institutionen, Leitern der Behörden, Justizbehörden sowie Sicherheitsbeamten gelten als gültig, es sei denn, das Gegenteil wird bewiesen.“ Das heißt, der bloße Bericht eines einzigen Zuständigen oder Beamten galt vor Gericht als Beweismittel. Dieses Gesetz hatte keinen anderen Zweck, als die Gegner zu unterdrücken, und es verwunderte sogar Mossadeghs frühere Gefährten. Durch das Gesetz wurden die Befugnisse der Exekutive so weit ausgeweitet, dass sie an die Stelle der Legislative trat und in den Bereich der Judikative eingriff. Die Gewaltenteilung, die das Fundament der Demokratie bildet, wurde damit faktisch aufgehoben. Mossadegh hatte mit dieser Methode seine Gegner im wahrsten Sinne des Wortes unter Kontrolle gebracht. Ein besonders markantes Beispiel dafür ist, dass einige wie Ardeshir Zahedi sich im Kofferraum eines Autos verstecken mussten, um den Schah zu treffen, und nachts heimlich durch eine verlassene Tür in den Palast gelangten. Wenn diejenigen, die den Schah treffen wollten, sich bereits im Kofferraum verbergen mussten, war das Schicksal der anderen umso deutlicher.

Schah

Doch lassen Sie mich zusammenfassen und zum entscheidenden Punkt kommen: Mossadeghs letzter Schlag gegen das Parlament war dessen Auflösung. In der ursprünglichen Verfassung der konstitutionellen Monarchie konnten die Regierung und der Senat gemeinsam die Nationalversammlung auflösen. Doch bis 1949 war der Senat überhaupt nicht gebildet worden. Nach dem Attentat auf den Schah im Februar 1948 nutzte der Schah die entstandene solidarische und wohlwollende Stimmung ihm gegenüber, um eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die sowohl die Rolle des Senats klärte als auch seine eigenen Befugnisse erweiterte. Von nun an hatte der Schah das Recht, das Parlament aufzulösen. Mossadegh war zwar gegen diese Verfassungsgebende Versammlung und ihre Ergebnisse, aber formal war alles regelkonform, und nur der Schah hatte das gesetzliche Recht, das Parlament aufzulösen, während der Senat als eine der Machtbasen des Schahs legal war.

An dieser Stelle versuchte Mossadegh, im Kampf gegen das Parlament zunächst einige seiner Anhänger dazu zu bewegen, ihren Rücktritt zu erklären, um anschließend ein Referendum zur Auflösung des Parlaments abzuhalten. Der zentrale Kritikpunkt an Mossadegh in diesem Zusammenhang ist folgender: In der Verfassung war für ein solches Vorhaben kein Referendum vorgesehen. Mossadegh und seine Unterstützer verteidigten ihre Entscheidung oft mit dem Argument: „Was über dem Volk steht, kann nicht mehr als höher angesehen werden.“ Doch dieser Ansatz entpuppte sich als Täuschung! Wenn für ein bestimmtes Anliegen ein rechtlicher Mechanismus existiert, ist der Premierminister verpflichtet, diesen einzuhalten, anstatt ihn zu umgehen. Mossadegh wusste, dass der Schah die siebzehnte Nationalversammlung nicht auflösen würde, und so entschloss er sich, statt das Gesetz zu befolgen, ein Referendum abzuhalten – ein Schritt, der als Präzedenzfall gedacht war. Da jedoch alle Gegner dieses Referendums den Boykott erklärten, war das Ergebnis absehbar. Nur diejenigen, die Mossadegh unterstützten, nahmen daran teil, und so entsprach das Resultat zu hundert Prozent seinen Erwartungen. Mossadegh glaubte, auf diese Weise den Schah unter Druck setzen zu können. Ein Widerstand gegen die Auflösung des Parlaments würde schließlich als Ablehnung des Willens des Volkes erscheinen. [4]

Abgesehen davon, dass ein Referendum in der Verfassung nicht vorgesehen war, lässt sich ein solches nur dann einsetzen, wenn keine rechtlichen Mechanismen existieren. Wird das akzeptiert, könnte eine machtvolle Person jederzeit die bestehenden Gesetze umgehen und ein Referendum abhalten. Aber ein Referendum wofür? Um ein Parlament abzuschaffen, das selbst ein Symbol des Volkswillens darstellt? Den Volkswillen zu bemühen, um den Volkswillen selbst zu beseitigen? Ist das nicht ein Zirkelschluss? Doch die groben Fehler dieses Referendums gehen über die Schaffung eines Präzedenzfalls hinaus. Das Verfahren war noch seltsamer. Ein unverzichtbares Prinzip jeder Wahl ist die „Geheimhaltung“: Der Wähler muss sicher sein, dass niemand von seiner Wahl erfährt. Eine offene Abstimmung setzt den Wähler unter Druck und macht ihn anfällig für Einflussnahme durch die Machthaber. Beim Referendum von Mossadegh, das viele boykottiert hatten, waren die Urnen für „Ja“ und „Nein“ getrennt! Es war also vollkommen offensichtlich, wer wie abgestimmt hatte. Eine Wahl mit solch einem fundamentalen Fehler konnte nicht legitim sein.

Die Diskussion über die Bezeichnung des Sturzes Mossadeghs ist eng mit einer wichtigen Frage verbunden: In einer Situation, in der kein Parlament mehr existiert – also in einer sogenannten «Fatra», einer Interimszeit – hatte der Schah das Recht, den Premierminister zu ernennen oder zu entlassen. Selbst jemand wie Sanjabi, Mitglied der Nationalen Front,  warnte Mossadegh davor, dass der Schah ihn entlassen würde, wenn er das Parlament auflöste. Mossadegh war sich bewusst, dass der Schah diese Macht hatte, war aber überzeugt, dass der Schah ihn nicht entlassen würde. Doch die Diskussion, ob der Schah in einer solchen Interimszeit den Premierminister ernennen könne, führt in die Irre. Es ist nicht nötig, weit nach einer «Fatra» zu suchen! Bereits ein Jahr zuvor, als das sechzehnte Parlament noch existierte, hatte der Schah Razmara zum Premierminister ernannt – nicht das Parlament! Ein weiteres, eindeutiges Beispiel ist, dass Mossadegh selbst im Oktober 1949, während eines Protests im Palast, den Schah aufforderte, einen Premierminister zu ernennen, der sich nicht in die Wahlen einmischen würde. Wenn wir also den historischen Kontext betrachten, sehen wir, dass es unter dem Schah üblich war, Premierminister zu ernennen und zu entlassen – eine Praxis, die auch von Mossadegh selbst akzeptiert wurde, obwohl sie zweifellos einen Verstoß gegen die konstitutionelle Verfassung darstellte.

Fassen wir zusammen: Vor allem stoppte Mossadegh die Wahlen zur siebzehnten Nationalversammlung, als er erkannte, dass der Verlauf der Wahlen seiner Regierung gefährlich werden könnte und der Schah sowie seine Gegner – darunter auch ausländische Mächte – möglicherweise Erfolg hätten, Personen ins Parlament zu bringen, die darauf abzielten, ihn zu stürzen. Mossadeghs erste Konfrontation mit dem Parlament bestand also darin, dass er die vollständige Bildung der siebzehnten Nationalversammlung verhinderte. Im nächsten Schritt führte er das Gesetz über die Vollmachten ein und umging damit das Parlament. Dann versuchte er, mit einem neuen Wahlgesetz das Parlament aufzulösen, was ihm jedoch nicht gelang; stattdessen schloss er den Senat. Schließlich blieb ihm nur noch die Auflösung des Parlaments, die er durch das erwähnte Referendum vollzog. Aus diesem Grund sage ich, dass Mossadeghs Regierungszeit eine Geschichte des Konflikts mit dem Parlament darstellt.

Die Debatte lautet wie folgt: Nachdem Mossadegh das Referendum abgehalten hatte, dessen eindeutiges Ergebnis die Auflösung des Parlaments war, forderte er den Schah auf, das Dekret zur Auflösung zu unterzeichnen, um den Anschein von Gesetzmäßigkeit zu wahren. Der Schah unterzeichnete das Auflösungsdekret jedoch nicht. Da faktisch kein Parlament mehr existierte und ihm gemäß der Verfassung die Befugnis zur Auflösung zustand, entließ der Schah Mossadegh und ernannte Zahedi zum Premierminister. An dieser Stelle möchte ich einen Punkt ansprechen: Es wird oft gefragt, warum der Schah den Premierminister nicht in den Palast einberief oder warum er das Dekret mitten in der Nacht ausstellte. In einer kürzlich stattgefundenen Debatte stellte ein angesehener Geschichtsprofessor, der betonte, seit dreißig Jahren Geschichte zu unterrichten, diese Fragen. Solche Fragen kann nur jemand stellen, der keine Ahnung von dieser Zeit hat! Mossadegh hatte den Palast bereits seit dem 28. Februar 1953 nicht mehr betreten. Die Kabinettssitzungen fanden in seinem Haus statt, das aufgrund der Gefahr für sein Leben zu einer Festung geworden war. Der Zugang zum Palast war stark eingeschränkt, und die gesamte Atmosphäre war von extremem Misstrauen und Spannung geprägt. Mossadeghs Gegner operierten im Untergrund. Doch auch der Schah hatte Angst. Ja, der Schah hatte ebenfalls Angst … so einfach ist das! Der Machtkampf hatte einen kritischen Punkt erreicht, und genauso wie Mossadegh sein Schlafzimmer nicht verließ, war auch der Schah ängstlich.

Aber nach meiner eigenen Einschätzung, um auf die Kritik zurückzukommen: Es wird argumentiert, dass das Parlament formal noch existierte, da der Schah das Auflösungsdekret noch nicht unterzeichnet hatte. Das bedeutet, es habe keine «Fatra» (Interimszeit) gegeben und somit habe der Schah keine Befugnis gehabt, Mossadegh zu entlassen. Meiner Ansicht nach ist diese Argumentation jedoch schwach: Erstens war Mossadegh selbst derjenige, der die Auflösung des Parlaments initiiert hatte! Wäre ein Gegner Mossadeghs für die Auflösung des Parlaments verantwortlich gewesen und hätte Mossadegh dabei übergangen, wäre diese Begründung vielleicht diskussionswürdig gewesen. Doch da Mossadegh selbst die Auflösung des Parlaments vorangetrieben hatte, war er auch derjenige, der die «Fatra» hervorrief. Zweitens wäre diese Argumentation nur dann ohne weiteres akzeptabel, wenn jemand anderes als der Schah das Auflösungsdekret hätte unterzeichnen müssen. Der Schah jedoch war der Unterzeichner und brauchte in diesem Fall keine Zustimmung einer anderen Instanz. Wäre der Schah dann einfach mit seiner Unterschrift auf das Auflösungsdekret gegangen und hätte anschließend Mossadegh entlassen, wäre das Problem gelöst? Der Schah wollte aber nicht durch seine Unterschrift den Präzedenzfall von Mossadegh legitimieren. Dieses Referendum war ein Fehler, und die Unterschrift des Schahs hätte dieser außerrechtlichen Handlung Rechtskraft verliehen. Drittens existierte das Parlament faktisch nicht mehr. Das Kriterium für das Handeln des Schahs war, dass vom Parlament nichts mehr übrig war, und faktisch hatte eine «Fatra» bereits stattgefunden.

An dieser Stelle ziehe ich meine abschließende Schlussfolgerung. Meiner Ansicht nach ist die zweite Facette des Mythos Mossadeghs – nämlich die Opposition gegen Tyrannei – mit der historischen Realität von Mossadeghs Handeln unvereinbar. Dieses duale Bild entstand erst im Nachhinein und wurde mit der Zeit aufgebaut, sodass Mossadegh zunehmend als Symbol für demokratische Bewegungen präsentiert wurde. Sein tatsächliches Verhalten war jedoch eindeutig autoritär und stand im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Demokratie. Man könnte einwenden, dass diese Einschätzung milder und gerechter formuliert werden könnte, wenn man berücksichtigt, dass er vor einer schwierigen Aufgabe stand: Er musste die Ölfrage lösen und den Konflikt mit einer Weltmacht bewältigen. Doch auch wenn politische Herausforderungen jemanden in undemokratischen Bahnen drängen können, mag dies verständlich sein, rechtfertigt jedoch keineswegs, ihm eine Medaille für Demokratie zu verleihen.

[1] Mohammad Ali Foroughi, auch bekannt als Zoka-ol-Molk, war Schriftsteller, Diplomat und Politiker und diente drei Amtszeiten als Premierminister von Iran.

[2] Die Nationale Front war ein 1949 unter anderem von Mossadegh und Mozaffar Baqai gegründetes und mit Unterbrechungen bis 1979 aktives Bündnis aus nationalen, sozialistischen, sozialdemokratischen Oppositionsgruppen und Parteien im Iran.

[3] Hadsch Ali Razmara war Generalleutnant der iranischen Armee und vom Juni 1950 bis März 1951 Premierminister vom Iran

[4] In den politikwissenschaftlichen Lexika nachschlagen: Genau das ist „Populismus“. Im ursprünglichen Sinne bedeutet Populismus, politische Institutionen zu umgehen und sich direkt auf den Willen des Volkes zu stützen. Ursprünglich war Populismus kein negativ besetzter Begriff. Auch Mossadegh setzte die bestehenden Gesetze und Institutionen außer Kraft und wandte sich direkt an das „Populus“ (Volk). Wenn es also ein Beispiel für populistische Politik in der Geschichte Irans gibt, dann ist es zweifellos dieses Referendum.

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