„Bitte, seid Menschen.“ Zum Tod von Margot Friedländer

Margot Friedländer

Am 9. Mai 2025 ist Margot Friedländer im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben. Die Welt hat mit ihr eine der letzten Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik verloren, eine Frau, die ihr ganzes Leben der Erinnerung, der Aufklärung und der Menschlichkeit gewidmet hat. Ihr Tod bedeutet mehr als das Ende eines außergewöhnlichen Lebens: Mit ihr verstummt eine Stimme, die über ein Jahrhundert hinweg mahnte, erinnerte, aufklärte, und vergab.

Margot Friedländer überlebte die Schoa, so nennt man die systematische Ermordung von etwa sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Sie selbst wurde verraten, verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Nach dem Krieg lebte sie viele Jahrzehnte in den Vereinigten Staaten, ehe sie im hohen Alter nach Berlin zurückkehrte, nicht aus Rache, sondern in der Hoffnung, dass die Erinnerung an das Unvorstellbare künftige Generationen wachrütteln würde.

Bis zuletzt war sie aktiv, sprach an Schulen, Hochschulen und Gedenkorten, und tat dies mit einer Güte, einer Klarheit und einer tiefen Menschlichkeit, die Generationen berührte. Noch zwei Tage vor ihrem Tod nahm sie an einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs teil. Dort sagte sie in einem ihrer letzten öffentlichen Sätze: „Bitte, seid Menschen.“ Diese drei einfachen Worte enthalten alles, was sie zeitlebens verkörperte: Mitgefühl, Verantwortung und Hoffnung.

Ruhe in Frieden, Margot Friedländer

Am Tag ihres Todes sollte ihr das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen werden, die höchste zivile Auszeichnung des Landes. Die Zeremonie wurde abgesagt, doch die Auszeichnung wurde ihr posthum zuerkannt. Sie hätte sie verdient wie kaum jemand sonst.

Als Organisation der Iranischen Liberalen Frauen trauern wir zutiefst um Margot Friedländer. Für uns war sie nicht nur eine Zeitzeugin der deutschen Geschichte. Sie war ein moralischer Kompass, eine Frau von unerschütterlicher Würde, deren Mut und Sanftheit uns auf unserem eigenen Weg stärken. Auch wir kämpfen für Freiheit, für Gerechtigkeit, für Erinnerung, und für ein Ende der Gewalt. In der Stimme Margot Friedländers hörten wir unsere eigene Sehnsucht nach einer Welt, in der Menschlichkeit stärker ist als Hass.

In ihren letzten Lebensjahren sagte sie immer wieder: „Ich tue das, solange ich kann.“

Nun ist ihre Stimme verklungen. Doch ihre Worte bleiben. Und wir, die leben, müssen weitertragen, was sie uns hinterlassen hat.

Ruhe in Frieden, Margot Friedländer. Wir verneigen uns in tiefster Dankbarkeit.

ZEIT ONLINE – Margot Friedländer ist tot

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