Am 31. Mai 2024 wird in Bremen das Urteil in einem aufsehenerregenden Prozess erwartet: Ein 24-jähriger Angeklagter steht vor Gericht, weil er seine Schwester ermordet haben soll, um vermeintlich die Ehre der Familie wiederherzustellen. Der Angeklagte gestand, dass er den Lebenswandel seiner 23-jährigen Schwester missbilligt habe, da sie sich wiederholt mit Männern getroffen und nächtliche Ausflüge unternommen habe. Diese Tat wirft ein schockierendes Licht auf das Phänomen der sogenannten Ehrenmorde, die auch in Deutschland vorkommen und eine tief verwurzelte Problematik offenbaren.
Der Begriff „Ehrenmord“ ist äußerst umstritten und wird von Experten wie der Bremer Landesfrauenbeauftragten Bettina Wilhelm als unangemessen kritisiert. Wilhelm argumentiert, dass dieser Begriff suggeriere, das Verhalten der Frau hätte die Ehre des Täters so stark verletzt, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, als zu töten. Eine solche Sichtweise übernimmt teilweise die Rechtfertigungen der Täter und ignoriert die zugrunde liegenden patriarchalen Strukturen und kulturellen Normen, die solche Verbrechen begünstigen.
Eine wegweisende Studie des Max-Planck-Instituts, durchgeführt im Auftrag des Bundeskriminalamts (BKA) im Jahr 2011, bietet einen detaillierten Überblick über Ehrenmorde in Deutschland. Zwischen 1996 und 2005 wurden 78 Fälle mit 109 Opfern und 122 Tätern erfasst. Diese Studie offenbart, dass fast doppelt so viele Ehrenmorde verübt wurden, als bisher angenommen, nämlich durchschnittlich 7 bis 10 Fälle pro Jahr. Dies könnte auf ein mangelndes Bewusstsein der westlichen Gesellschaft für dieses Phänomen zurückzuführen sein.
Die Studie zeigt, dass das zentrale Motiv hinter diesen Taten die Kontrolle der weiblichen Sexualität ist. Frauen wird das Recht auf freie Lebensgestaltung systematisch abgesprochen. Gründe für solche Tötungsdelikte sind oft angebliche Untreue, Trennungsgedanken der Frau, ein zu „westlicher“ Lebensstil oder sogar die Vergewaltigung, die in der Familie als Schande betrachtet wird.
Die Täter stammen häufig aus patriarchalisch geprägten Kulturen, in denen die Herrschaft des Mannes über die Frau kaum hinterfragt wird. Nach den Geburtsländern der Täter dominieren die Türkei (63,3 %), gefolgt von arabischen Ländern (14,2 %), dem ehemaligen Jugoslawien und Albanien (7,5 %), Deutschland (9,2 %) sowie Pakistan und Afghanistan (5,8 %). Diese kulturellen und religiösen Normen und Bräuche werden oft nach Europa mitgebracht und hier weiter praktiziert, da viele Einwanderer ihre Glaubensüberzeugungen und traditionellen Werte beibehalten. In einem Umfeld, das solche patriarchalischen Strukturen nicht ausreichend hinterfragt oder entgegenwirkt, können diese fatalen Praktiken fortbestehen und zu tragischen Konsequenzen führen.
Ehrenmorde sind besonders in muslimisch geprägten Ländern und im Nahen Osten verbreitet. Im Iran sind vor allem die Regionen Khuzestan, Sistan-Belutschestan, Hormozgan und Kurdistan betroffen. Im Irak, in der Autonomen Region Kurdistan, gibt es einen Friedhof namens Siwan, auf dem viele Frauen und Mädchen begraben liegen, die Opfer von Ehrenmorden wurden. Die Namen dieser Frauen sind oft unbekannt, und ihre tragischen Geschichten bleiben größtenteils im Verborgenen.
Siwan Friedhof, Autonome Region Kurdistan
Fazit :
Der Fall in Bremen unterstreicht die fortwährende Relevanz und Tragweite des Themas Ehrenmord in Deutschland und weltweit. Diese Verbrechen sind tief in kulturellen und patriarchalischen Strukturen verankert, die dringend hinterfragt und bekämpft werden müssen. Eine offene gesellschaftliche Diskussion und ein tieferes Verständnis der kulturellen Hintergründe sind unabdingbar, um solche Taten zu verhindern und den Opfern gerecht zu werden. Die Studien und Berichte zeigen klar, dass Ehrenmorde kein rein ausländisches Phänomen sind, sondern auch in westlichen Gesellschaften eine ernsthafte Herausforderung darstellen. Ein nachhaltiger Wandel erfordert eine umfassende Integration und Kultivierung von Migranten, um die fortbestehenden patriarchalen Normen zu überwinden und eine gerechtere Gesellschaft zu fördern.
Maryam Atamajori
Quellen:
https://www.igfm.de/ehrenmorde-in-deutschland/
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/femizid-ehrenmord-bremen-102.html
گورستان زنان گمنام؛ تراژدی قتل و ناموس – DW –۱۴۰۰/۱/۸