Die Organisation Iranische Liberale Frauen berichtet über eine alarmierende Serie von Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran, die in der vergangenen Woche verzeichnet wurden. Von Hinrichtungen über harte Urteile gegen Demonstrierende bis hin zu schweren Angriffen auf Frauenrechte – das Klima der Unterdrückung bleibt bedrückend, während die internationale Gemeinschaft weitgehend schweigt. Die wichtigsten Fälle im Überblick:
1. Fortsetzung zahlreicher Hinrichtungen
In der letzten Woche wurden 34 Personen in verschiedenen Gefängnissen des Landes, darunter Urumie, Shiraz , Zahedan, Mashad und Yazd, wegen Vergehen wie Mord oder Drogendelikten hingerichtet. Unter den Hingerichteten befand sich Arvin Ghahremani, ein 20-jähriger jüdischer Jugendlicher aus Boukan, der im Dizelabad-Gefängnis in Kermanshah nach einem Tötungsdelikt hingerichtet wurde. Menschenrechtsorganisationen vermuten aufgrund seines religiösen Hintergrunds und der Spannungen mit Israel eine politische Motivation.
2. Neue Todesurteile gegen Demonstrierende
Die islamische Republik verhängte zwei weitere politische Todesurteile: Nasser Bakarzadeh, ein Bürger, aus Urumie, wurde unter dem Vorwurf der „Spionage für Israel“ zum Tode verurteilt. Die Aktivistin Varisheh Moradi aus Sanandaj erhielt dasselbe Urteil unter dem Vorwurf der „Rebellion“. Moradi trat aus Protest gegen ihr Urteil in einen Hungerstreik, nachdem sie schwer gefoltert worden war und derzeit im berüchtigten Evin-Gefängnis einsitzt.
3. Systematische Verletzung der Frauenrechte
Die Drangsalierung von Mädchen und Frauen führte zu erschütternden Ereignissen: Zwei jugendliche Mädchen nahmen sich das Leben, nachdem sie von den Schulbehörden erniedrigt und bedroht worden waren. Arezoo Khavari, eine 16-jährige Schülerin, beging Suizid, nachdem sie aufgrund eines Tanzvideos und ihres Hidschab-Verstoßes vom Schulverweis bedroht wurde. Ebenso nahm sich Ainaaz Karimi das Leben, nachdem sie wegen ihres gefärbten Haares erniedrigend behandelt wurde. Ahoo Daryaei, eine Studentin, wurde nach ihrer Verhaftung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo Sicherheitskräfte sie durch Verabreichung unbekannter Medikamente psychisch zu destabilisieren versuchen.
4. Festnahmen von AktivistInnen und Zivilpersonen
In den letzten Wochen kam es zu einer Welle von Verhaftungen gegen politische Aktivisten und Zivilpersonen. Die Arbeiteraktivisten Morteza Seyedi und Nasrollah Amirlou wurden nach ihrer Verurteilung ins Evin-Gefängnis überstellt. Ebenso wurden der 15-jährige Sina Asadi Hakim und weitere Bürger festgenommen. Journalisten, Aktivisten und Lehrer wie Mohammad Habibi und Mohsen Omrani wurden zu Haftstrafen verurteilt, ebenso Parastoo Afsharinejad und mehrere Lehrergewerkschafter.
5. Gewalt gegen Randgruppen und Minderheiten
Am Dienstag, den 7. November 2024, wurden drei Schusswaffenangriffe durch Grenzschutzkräfte in verschiedenen Regionen im Westen des Landes gemeldet. Dabei wurde Jabar Zarei, ein Kolbar (Lastenträger und Kleinschmuggler) aus dem Dorf Kolseh Sofla im Landkreis Sardascht, an der Qandil-Grenze durch direkte Schüsse verletzt und ins Krankenhaus von Piranshahr gebracht. Ebenso wurde Asad Firouzbakht, ein Kolbar aus Javanrud, an der Nosud-Grenze durch Schüsse schwer verwundet und zur medizinischen Versorgung transportiert. Zudem verlor Amer Natozehi, ein Kraftstoffträger aus dem Dorf Kanarbast im Landkreis Chasch, sein Leben, als Grenzschutzkräfte auf sein Fahrzeug feuerten.
6. Frauenmorde unter dem Schutz der Islamischen Republik
In dieser Woche wurden in verschiedenen Regionen Irans vier Fälle von Frauenmorden dokumentiert. Farideh Mahakki, eine 25-jährige Frau, wurde Anfang November 2024 von ihrem Vater, Großvater und Onkel ermordet. Sie wurde ohne das Wissen ihrer Familie bestattet. Am Samstag, den 09. November 2024, in den frühen Morgenstunden, tötete ein Anwalt in Teheran seine Frau, Mansoureh Ghadiri Javid, eine Journalistin im Bereich Forschung, mit einer Hantel und einem Messer. Nach dem versuchten Mord an ihrem Kind und einem Selbstmordversuch informierte der Täter schließlich die Polizei. In Ilam wurde ebenfalls eine 40-jährige Frau von ihrem Ehemann ermordet, der als Motiv familiäre Streitigkeiten angab. In Karaj tötete ein 63-jähriger Mann seine 57-jährige Ehefrau mit einem scharfen Gegenstand und beging danach Selbstmord. Dieser Mann war zuvor bereits wegen des Mordes an seiner ehemaligen Frau festgenommen worden und war mit Zustimmung der Hinterbliebenen freigelassen worden.
7. Versuche, die Familien der Opfer zu unterdrücken
Die Bemühungen zur Unterdrückung der Angehörigen und Unterstützer der Opfer der Repression dauern unvermindert an. Am Freitag, dem 08. November 2024, griffen Sicherheitskräfte der Islamischen Republik eine Gedenkveranstaltung für Yalda Aghafazli in Teheran an. Sie schlugen Hossein Naderbeigi, einen der Überlebenden der “Frau, Leben, Freiheit”-Bewegung, sowie Majid Solhi, einen Verwandten der Familie Yalda, und nahmen sie fest, um sie an einen unbekannten Ort zu verschleppen. Zudem fand am Sonntag, dem 10. November 2024, die erste Sitzung des Prozesses gegen Nasrin Shakarami, die Mutter der ermordeten Nika Shakarami, in einem Videoformat in Khorramabad statt. Ihr werden die Vorwürfe „Blasphemie“ und „Verbreitung von Falschinformationen zur Erregung der öffentlichen Meinung“ vorgeworfen. Bald soll eine weitere Anhörung stattfinden, in der es um weitere Anklagen wie „Propaganda gegen das Regime“ und „Beleidigung des Obersten Führers“ geht. Nasrin Shakarami befindet sich seit dem 25. Oktober 2024 in Haft und ist von jeglichem Kontakt und Besuchsrecht ausgeschlossen.
8. Misshandlung und Folter politischer Gefangener
Der Fall von Arsham Rezaei, einem politischen Gefangenen, der ins Gefängnis Gazalhessar in Karaj verlegt wurde und dort in Einzelhaft gehalten wird, zeigt die fortwährende Misshandlung politischer Gefangener im Iran. Auch Ahmadreza Hayeri ist einer Erhöhung seiner Haftstrafe ausgesetzt: Auf Druck der Revolutionsgarden wurde seine Strafe von drei Jahren und acht Monaten auf sechs Jahre und drei Monate verlängert. Zartosht Ahmadi Ragheb wurde ebenfalls in Einzelhaft verlegt, nachdem er sich über die Verlegung von Arsham Rezaei beschwert hatte. Der Schriftsteller und Zeichner Mehdi Bahman reagierte mit einem Hungerstreik auf die Missachtung seiner Haftforderungen im Evin-Gefängnis.
9. Rache an den Protestierenden geht weiter
Vor dem Revolutionsgericht von Karaj fand der Prozess gegen sechs politische Gefangene statt, darunter Azam Ahooghalandar, Hossein Jafari, Nemat Afshar, Mohammad Azizi, und Mehdi Tohidi. Ihnen werden verschiedene schwere Anklagen, darunter „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Mitgliedschaft in Gruppen, die gegen die Sicherheit des Landes kämpfen“, vorgeworfen. Das Instagram-Konto von Ava Jahangiri, bekannt als „die Mädchen von Mohaveji“, eine inspirierende Figur, die durch das Teilen von Alltagsvideos und die Unterstützung der Proteste im Jahr 2021 berühmt wurde, wurde auf Anordnung der Justiz gesperrt. Sie war in einen schweren Unfall verwickelt worden und musste mit einer Sauerstoffmaske um ihr Überleben kämpfen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, verkaufte sie selbstgemachte Produkte. Zudem wurde Keyvan Rahimi, ein Medienaktivist, zu acht Monaten Haft verurteilt, weil ihm vorgeworfen wurde, gegen das Regime geworben zu haben. Rahimi war zuvor wegen seines zivilgesellschaftlichen Engagements, insbesondere der Unterstützung für die Freiheit von Aktivisten, verhaftet worden. Auch das Berufungsgericht von Teheran bestätigte das Urteil von fünf Jahren Haft und zwei Jahren Berufsverbot für den Anwalt Mohammadreza Faghihi, der an einer friedlichen Demonstration von Anwälten im vergangenen Jahr teilgenommen hatte. Das Oberste Gericht bestätigte ferner die Haft- und Exilstrafen für Mohammadamin Akhlaghi und Amin-Mehdi Shokrolahi, die im Fall des Todes des Basij-Mitglieds Ruhollah Ajmian angeklagt sind. Hamid Gharehassanlou, ein weiterer Angeklagter in diesem Fall, wurde zu 15 Jahren Haft im Exil in der Provinz Yazd verurteilt. Dieses Urteil wurde ebenfalls vom Obersten Gericht bestätigt, die Anklage lautete „Moharebeh“ (Krieg gegen Gott).
10. Die Islamische Republik geht weiterhin gegen unislamische Lebensstile vor
In Gilan wurden fünf Bürger festgenommen, weil sie in den sozialen Medien ein Video veröffentlicht hatten, das sexuelle Beziehungen zwischen ihnen zeigen soll. Drei von ihnen wurden wegen der Veröffentlichung dieses Videos auf X (ehemals Twitter) und zwei weitere wegen ihrer Beteiligung an der Aufnahme und Verbreitung des Materials verhaftet. In Karaj wurden nach Berichten über das Erscheinen von Tätowierern in Friseursalons für Frauen, die diese Dienstleistung für Männer anboten, Inspektoren der Handelskammer und der Gesundheitsabteilung der Universität für Medizinische Wissenschaften von Alborz gebeten, den Fall an die Justiz zu übergeben. In Frauenfriseursalons ist es illegal, Männer zu bedienen, und Tätowierungen sind in gewerblichen Einrichtungen ebenfalls verboten.
11. Verfolgung religiöser Minderheiten geht weiter
In der vergangenen Woche wurden drei Geschäfte von Bahai-Bürgern in Ghaemshahr, darunter ein Brillenladen, eine Kühlschrankreparaturwerkstatt und ein Schreibwarengeschäft, von den Behörden geschlossen. Die Schließungen erfolgten aufgrund des zweitägigen religiösen Feiertags der Bahai, an dem diese Geschäfte in Übereinstimmung mit ihren religiösen Überzeugungen nicht öffneten.