Vom „Tunnel des Schreckens“ in Maschhad bis zur Hinrichtungswelle
Systematische Repression gegen Aktivist:innen, Lehrkräfte und die Bevölkerung
Menschenrechtsbericht Iran – Woche 50 / 2025
In der 50. Kalenderwoche des Jahres 2025 (7.–14. Dezember 2025) wurde erneut deutlich, dass die Islamische Republik den Begriff „Sicherheit“ nicht als Schutz von Leben und Würde der Bevölkerung versteht, sondern als Instrument von Festnahmen, Einschüchterung und demonstrativer Bestrafung.
Von der Verhaftung von Angehörigen der Todesopfer des Aufstands von 2022 über gewaltsame Eingriffe in Gedenkveranstaltungen in Maschhad bis hin zu schockierenden Berichten über Misshandlungen, sogenannte „Tunnel des Schreckens“ und die Unterbringung von Festgenommenen in ungeeigneten Haftanstalten zeigt sich ein klares Muster staatlicher Repression. Trauer, Solidarität und jede Form zivilgesellschaftlichen Protests wurden gezielt unterdrückt.
Parallel dazu wurden neue Strafverfahren gegen Anwält:innen, Journalist:innen, Lehrkräfte und Umweltaktivist:innen eingeleitet. Politische Gefangene waren mit schweren Urteilen, dem Entzug medizinischer Versorgung und Einschränkungen ihres Verteidigungsrechts konfrontiert. Vor diesem Hintergrund zeichnen eine massive Hinrichtungswelle sowie anhaltende geschlechtsspezifische Gewalt ein erschütterndes Bild des Zusammenbruchs menschlicher Sicherheit im Iran. Statt Verantwortung zu übernehmen, verschärft der Staat die Kontrolle über den Lebensstil der Bevölkerung, kriminalisiert Kommunikationsmittel und vertieft die bestehende Krise durch sicherheitspolitische Maßnahmen.
Gedenkveranstaltung für Khosrow Alikordi unter Gewalt und Festnahmen
Ausgangspunkt der Repressionen dieser Woche war die Gedenkveranstaltung zum siebten Todestag von Khosrow Alikordi in der Ghadir-Moschee in Maschhad. Die Veranstaltung wurde von zahlreichen Sicherheitskräften umstellt, gewaltsam aufgelöst und führte zu umfangreichen Festnahmen von Aktivist:innen und Bürger:innen.
Unter den Festgenommenen befanden sich unter anderem Narges Mohammadi, Sepideh Gholian, Pouran Nazemi, Hasti Amiri, Alieh Motalebzadeh, Nora Haghi, Assadollah Fakhimi, Akbar Amini, Hassan Bagheri-Nia, Abolfazl Abri und Ali Adinehzadeh. Weitere Personen darunter Hamed Hosseini, Mohammadhossein Hosseini, Kamal Jafari-Yazdi, Mohammad Hassan Sadeghian, Mohammadreza Babaei, Amir Khavari, Milad Fattah, Yaser Dehestani, Mahmoud Khanali, Javad Jalali, Amin Vosoughinia, Pouria Najjarzadeh, Mehdi Rasoulkhani, Hossein Mohabi, Hamed Zareh und Hamed Rasoulkhani – wurden ebenfalls im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung festgenommen.
Der ehemalige politische Gefangene Haider Chahchamandi wurde während des Einsatzes schwer misshandelt. Er erlitt eine Platzwunde an der Stirn, die mit 13 Stichen genäht werden musste, und wird im Haftzentrum Soroush festgehalten – einer Einrichtung, über die wiederholt Berichte über Folter und den Einsatz des sogenannten „Tunnels des Schreckens“ vorliegen.

Tayebeh Nazari
Zeitgleich wurde Tayebeh Nazari, die Mutter der während des Aufstands von 2022 verstorbenen Anwältin Maryam Arvin, bei einer verwandten Veranstaltung festgenommen und ist seitdem verschwunden. Auch der Vater und der Onkel von Abolfazl Adinehzadeh wurden in Maschhad ohne Angaben zu ihrem Aufenthaltsort inhaftiert. Dr. Javad Alikordi wurde nach Protesten gegen den Tod seines Bruders zunächst vorgeladen und später in seiner Arztpraxis festgenommen.
Fortgesetzter juristischer und administrativer Druck auf Aktivist:innen
Neben den Repressionen vor Ort setzte sich der Druck auf Aktivist:innen im gesamten Land fort. Der Rechtsanwalt Behnam Nezadi befindet sich trotz monatelanger Anträge auf Anwendung von Artikel 510 weiterhin rechtswidrig in einem Zustand rechtlicher Ungewissheit. Morteza Dolatpour wurde zur Verbüßung seiner Haftstrafe vorgeladen, während Mostafa Motori ohne formelle Mitteilung mit der vollständigen Sperrung seiner SIM-Karten konfrontiert wurde. Die Gewerkschaftsaktivistin Touran Soleimani Babadi musste eine Geldstrafe antreten.

Touran Soleimani
In der Provinz Kurdistan wurden gegen 17 Lehrkräfte schwere Disziplinarstrafen verhängt. Acht von ihnen darunter Majid Karimi, Ghias Nemati und Hiva Ghoreyshi wurden dauerhaft aus dem Schuldienst entlassen. Weitere Lehrkräfte erhielten Versetzungen, Gehaltskürzungen oder andere administrative Sanktionen.
Das zweijährige Hafturteil gegen Atta Karimi wurde bestätigt. Ehsan Rostami wurde unter der schweren Anklage der „Rebellion (Baghi)“ in den Quarantänebereich des Evin-Gefängnisses verlegt. Drei Lehreraktivisten in Saqqez sahen sich neuen Verfahren ausgesetzt. Zudem wurden Strafanzeigen gegen den verantwortlichen Leiter der Website Jamaran sowie gegen den Umweltaktivisten Esmail Kahram eingeleitet.
Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass kein Bereich des zivilen Lebens – von Trauer und Existenzsicherung über Bildung und Rechtsbeistand bis hin zum Umweltschutz – vor staatlicher Repression geschützt ist.
Hinrichtungen, Tod in Haft und Entzug medizinischer Versorgung
In der Berichtswoche verschlechterte sich die Situation politischer Gefangener weiter. Die Familie des hingerichteten Nuklearwissenschaftlers Rouzbeh Vadi erklärte, er sei unter schwerer Folter und der Drohung, seiner Mutter Schaden zuzufügen, zu Geständnissen gezwungen worden. Ohne belastbare Beweise sei er ausschließlich auf Grundlage dieser erzwungenen Fernsehgeständnisse hingerichtet worden.

Rouzbeh Vadi
Der Oberste Gerichtshof bestätigte zudem das Todesurteil gegen Seyed Mohammadjavad Vafa’i Sani, das zuvor zweimal aufgehoben worden war. Weitere sieben politische Gefangene wurden ebenfalls zum Tode verurteilt.
Im Zentralgefängnis von Bukan starb Kaveh Ahmadzadeh infolge fehlender medizinischer Versorgung. In Naqadeh wurde Ramin Zelleh nach einem nur wenige Minuten dauernden Verfahren ohne Zugang zu einem Wahlverteidiger zum Tode verurteilt.
Anhaltende Frauenmorde
Tödliche häusliche Gewalt bei struktureller Straflosigkeit
In dieser Woche wurden mindestens sechs Fälle schwerer Gewalt gegen Frauen registriert. Vier endeten tödlich. In Teheran schoss ein Mann auf seine Ehefrau, weil das Abendessen nicht vorbereitet war. In Delfan erschoss ein Mann seine junge Ehefrau und nahm sich anschließend das Leben.
Weitere Fälle ereigneten sich in Boyer Ahmad, Arak, Rasht und Tabriz. Die wiederkehrenden Begründungen von „familiären Konflikten“ bis zu sogenannten „Ehrenmotiven“ zeigen, dass Frauenmorde im Iran kein Ausnahmephänomen, sondern eine Folge unzureichenden rechtlichen Schutzes und struktureller Straflosigkeit sind.
Willkürliche Festnahmen und unerschwingliche KautionenAuch gewöhnliche Bürger:innen waren von willkürlichen Festnahmen betroffen. Die 19-jährige Bita Shafiei befindet sich trotz einer extrem hohen Kaution weiterhin in Haft. In mehreren Städten wurden Bürger:innen ohne Haftbefehl festgenommen und an unbekannte Orte gebracht.

Bita Shafiei
Ein Berater des Oberkommandeurs der Revolutionsgarden bestätigte die Festnahme von mindestens 123 Personen wegen angeblicher Verbindungen zu oppositionellen Netzwerken. Die Repression greift damit zunehmend in den Alltag der Bevölkerung ein.
Von Peitschenhieben bis Internetzensur
Verschärfte Kontrolle des Lebensstils
Der Geschäftsführer der Firma Pindo wurde zu 74 Peitschenhieben verurteilt und verlor seine Geschäftslizenz. Die Nutzung von Satelliteninternet ohne Genehmigung wurde kriminalisiert. Social-Media-Konten wurden gesperrt, Cafés geschlossen und Veranstaltungsorte versiegelt.

Diese Maßnahmen zeigen, dass selbst Freizeit, Kultur und Kommunikation zunehmend als Sicherheitsrisiken behandelt werden.
Hinrichtungswelle
Mindestens 67 Exekutionen in weniger als einer Woche
In der Berichtswoche wurden mindestens 67 Menschen in iranischen Gefängnissen hingerichtet, darunter Frauen, ein afghanischer Staatsbürger und zahlreiche junge Männer. Viele der Hinrichtungen erfolgten ohne öffentliche Ankündigung und ohne faire Gerichtsverfahren.
Die Todesstrafe wird damit nicht als letztes Mittel der Justiz eingesetzt, sondern als systematisches Instrument zur Einschüchterung und Machtdemonstration.
Repression gegen religiöse Minderheiten
Fünf Christliche Konvertit:innen wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, jüdische Bürger:innen wegen Online-Aktivitäten vorgeladen, historische Friedhöfe blieben ungeschützt, und ein Bahai wird weiterhin ohne Anklage in Einzelhaft festgehalten. Die religiöse Verfolgung setzt sich damit auf individueller wie kollektiver Ebene fort.
Schusswaffeneinsatz ohne Vorwarnung
17-jähriger Jugendlicher schwer verletzt
Am 09. Dezember wurde der 17-jährige Zhivar Rahmani bei einem ungewarnten Schusswaffeneinsatz von Sicherheitskräften schwer verletzt. Der Vorfall verdeutlicht erneut den unverhältnismäßigen Einsatz tödlicher Gewalt gegen unbewaffnete Zivilpersonen, insbesondere in Grenzregionen.

Zhivar Rahmani
Fazit
Die dokumentierten Ereignisse dieser Woche zeichnen ein geschlossenes und zutiefst besorgniserregendes Bild staatlicher Herrschaft durch Repression. Von Trauer und Religion über Bildung, Lebensunterhalt und Lebensstil bis hin zum Recht auf Leben selbst unterliegt die Bevölkerung Zwang und Kontrolle. Diese Entwicklung vertieft die Kluft zwischen Staat und Gesellschaft und unterstreicht die dringende Verantwortung internationaler Institutionen und der Weltöffentlichkeit, diese Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und ihre Normalisierung zu verhindern.